(Original-Titel der englischen Übersetzung: Mao Tse-Tung „On Guerilla Warfare“ – chinesischer Titel: Yu Chi Chan, 1937)
In Zeiten zunehmender globaler Instabilität, Terrorattacken und allgemein empfundener Unsicherheit, dient es dem besseren Verständnis, wenn man sich ein wenig mit Strategien der Kriegs- und Kampfführung auseinandersetzt. Neben Sun-Tzu’s „Art of War“ und Carl von Clausewitz‘ „Vom Kriege“ ist ein weiterer Klassiker, allerdings speziell für den Guerilla-Krieg, Mao Tse-Tung’s „On guerilla warfare“.
Dieser Artikel soll eine kleine Zusammenfassung der wichtigsten Punkte des o. g. Werkes bieten, denn Kriege und Konflikte werden heute nicht mehr wie früher entlang klar gezogener Fronten zwischen zwei oder mehreren Nationen geführt, sondern sind zunehmend asymmetrisch und alte Taktiken und Strategien funktionieren hier nicht mehr.
Mao Tse-Tung wurde 1893 in Zentralchina geboren als Sohn eines Bauern, der sich durch Zukäufe von Land zu einem industriellen Mittelstandslandwirt empor wirtschaften konnte. Dadurch erhielt Mao eine gute Erziehung, die nur wenigen damals möglich war. Seine Interessen lagen speziell bei Geschichte und Politikwissenschaft. Als Folge seiner Studien kam er zu dem Schluss, dass weder der demokratische Liberalismus noch der parlamentarische Sozialismus passende Herrschaftsmodelle für sein Land waren.
Was ist Guerillakrieg?
In einem Krieg mit revolutionärem Charakter stehen in der Regel unterlegene Kämpfer mit sehr begrenzten Mitteln einer überlegenen Macht bzw. einem überlegenen Aggressor gegenüber. Der unterlegene Guerillakämpfer versucht hierbei die Nachteile, die auf seiner Seite liegen, zu seinem Vorteil umzukehren. Mao Tse-Tung trennt den Guerillakampf nicht von seiner nationalen Politik. Ohne ein politisches Ziel und die Sympathien der Menschen ist für ihn jeder Guerillakampf zum Scheitern verurteilt, da er von der Unterstützung breiter Massen lebt.
Wie ist ein Guerillakrieg organisiert?
In der Entstehungsphase sind alle Guerillakriege schlecht organisiert, haben jedoch schon qualitativ das Potenzial zur Organisation. Alle Guerillaeinheiten benötigen einen politischen und militärischen Führer, unabhängig von der Größe und Herkunft der Einheit. Dieser Führer müssen ein Rollenmodell für die Kämpfer sein, indem sie resolut, loyal, ehrlich und robust sind. Außerdem müssen sie geschult sein in Militärtechnik, hohe Disziplin besitzen und auch selbst durchsetzen können und mit Gegenpropaganda umgehen können. Sie sind verantwortlich für die Bereitstellung der maximalen Kampfeffizienz ihrer Einheiten.
Unorganisierter Guerillakrieg kann nicht zum Erfolg führen. Diejenigen, die mit einer Mischung aus Banditentum und Anarchie ihren Gegner bekämpfen wollen, haben die Natur des Guerillakampfes nicht verstanden. Das „Böse“ existiert nicht im Guerillakampf, nur in unorganisierten, undisziplinierten, anarchischen Aktionen.
Was ist die Guerilla-Strategie?
Die Guerilla-Strategie basiert auf Alarmbereitschaft, Mobilität und Angriff. Sie muss den Gegebenheiten hinsichtlich Feindsituation, Terrain, Kommunikationswegen, Klima und der Situation der Menschen entsprechend justiert werden. Entscheidend ist hierbei das Überraschungsmoment und gezielte Täuschungen. Frontale Angriffe sollten nicht stattfinden. Stattdessen wird der Feind an Flanken und Rückseite angegriffen, wo er am verletzlichsten ist.
Mao unterscheidet zwei Arten von Guerillakampf:
- Der Krieg in einem Bürgerkriegsszenario mit Revolutionären contra etablierter Herrschaft.
- Der Krieg einer Nation gegen Invasoren und Besatzungsmächte.
Letzterer hat in der Bevölkerung eine breitere Basis und (fast) alle sind involviert und beteiligen sich. In ersterem Szenario sieht Mao jedoch eine intrinsische (ideologische) „Reinheit“ in der Guerilla, wodurch die Einheiten leichter zu einen sind.
Dennoch verwenden beide Typen von Guerillas die gleichen militärischen Methoden.
Unterschiede zwischen Guerilla Kampfhandlungen und klassischen Kampfhandlungen:
Klassische Kampfhandlungen bestehen üblicherweise aus einem Wechsel zwischen Stellung und Bewegung (Vormarsch oder Rückzug). Guerilla-Kampfhandlungen unterscheiden sich hiervon wesentlich. Ziel der Guerilla-Kampfhandlungen ist konstante Aktivität und Bewegung. Es gibt keine entscheidende Schlacht. Es gibt auch keine vergleichbare „letzte Verteidigungslinie“. Ein Wechsel aus ständiger Bewegung in eine feste defensive Position ist nicht vorgesehen. Somit gibt es auch keine taktischen Truppenaufstellungen und entsprechende Angriffsszenarien aus dem Planungsstab.
Vielmehr sind Guerilla-Kampfhandlungen charakterisiert durch kleine aktive Einheiten, die unabhängig voneinander operieren und die in keine direkten Wechselwirkungen zueinander haben. Die Begriffe „Front“ und „Rückzugsgebiet“ aus der orthodoxen Kriegsführung sind auf Guerilla-Kampfhandlungen nicht anwendbar, da die Einheiten zwar Basen haben, aber im Grunde permanent auf Feindgebiet agieren und quasi im „Rückzugsgebiet“ des Feindes sind. Dabei versuchen sie den Feind durch konstante Aktionen zu schwächen und zu destabilisieren, wobei neben direkten Kampfhandlungen die Zerstörung von Kommunikations- und Nachschubwegen das Mittel der Wahl sind.
Bemerkenswert ist die Feststellung, dass es durchaus eine Transformation geben kann von einer Guerilla hin zu einer regulären Armee geben kann und auch umgekehrt eine reguläre Armee sich zu einer Guerilla wandeln kann. Dies sogar ziemlich rasch.
Mao hebt bei beiden Arten der Kriegsführung einen wesentlichen Bestandteil heraus: die Beweglichkeit, denn „…our fundamental strategical form must be the war of movement. If we deny this, we cannot arrive at the victorious solution of the war.“
Kann mit Guerillakrieg der Sieg erreicht werden? Mao zieht hier den Vergleich zwischen Japan und China und sieht es als wichtig für die eigene Strategiebildung, rational die Faktenlage zu analysieren, wobei neben den Standard-Analysen (Ziele des Gegners, Stärken, Schwächen, etc.) ein sehr wichtiges Kriterium die Anzahl der Fronten bzw. Gegner des Feindes ist. Grundsätzlich sieht Mao den Sieg mit einem Guerillakrieg als möglich an.
Historisch betrachtet mag wohl der Vietnam-Krieg ein gutes Beispiel sein, in dem die Vietcong Guerilla-Strategien angewendet haben. Selbst wenn der fehlende Rückhalt der US-Truppen durch die eigene Bevölkerung und letztlich auch der US-Politik für deren Rückzug gesorgt haben, so blieben die Vietcong doch immerhin 10 Jahre unbesiegt und das ist ziemlich lange.
Wie organisiert man sich für den Guerilla-Krieg? Hier nennt Mao folgende 4 Faktoren:
- Rekrutierung von Guerilla-Einheiten:
Neben Leuten aus der breiten Masse des Volkes kommen hier auch speziell dafür dauerhaft oder temporär bereitgestellte Männer aus der regulären Armee sowie desertierte Feinde in Frage. Grundsätzlich ist jeder dazu in der Lage, sich militärisches Wissen anzueignen und dann auch Führungsrollen zu übernehmen. Mao nennt dies die „University of War“. Er sieht grundsätzlich Männer und Frauen im Alter von 16 bis 45 Jahren als befähigt an.
- Organisation von Guerilla-Einheiten:
Zunächst wird das operative Gebiet aufgeteilt in militärische Areale. Dann wird für jedes dieser Areale eine militärische Organisation mit entsprechenden Rängen aufgebaut inklusive Medizin und Logistik sowie politischen Verbindungsoffizieren. Zusätzlich wird ein Komitee eingerichtet mit Mitgliedern des Führungsstabes zur Klärung offener militärischer und politischer Fragen. Die militärischen Areale werden dann weiter herunter gebrochen auf lokale Distrikte, in denen wiederum kleinere Hierarchien aufgebaut werden. Alle Truppen in den militärischen Arealen sollten in eine Kampftruppe und eine Selbstverteidigungsgruppe aufgeteilt sein. Die Kampftruppen sollten kleiner sein (Zug- oder Kompaniestärke), die Selbstverteidigungstruppen sollten größer sein (Batallionsstärke) und den Kampftruppen zuarbeiten und den Rücken stärken.
- Ausrüstung von Guerilla-Einheiten:
Guerilla-Einheiten sind immer leicht bewaffnet um beweglich zu sein und die Art der Bewaffnung hängt immer vom jeweiligen Einsatz ab. Ein Kommando, das den Auftrag hat, eine Bahnleitung zu zerstören, wird andere Waffen benötigen als eine Einheit, die ein Depot bewacht. Eine der Hauptquellen der Bewaffnung sollte immer der Feind sein, indem man ihm nach einer erfolgreichen Kampfhandlung die Waffen abnimmt. Weiterhin sind Feldstecher, Kompass und Kartenmaterial nötig. Für die Bekleidung sind mindestens zwei Sommer- und eine Winteruniform nötig. Die Versorgung mit Medizin, Kommunikation, Logistik sollte immer bestmöglich organisiert sein. Eine gute Ausrüstung hat auch einen psychologischen Effekt.
- Konstituierende Elemente einer Guerilla-Einheit:
Guerilla-Einheiten dürfen nur aus Freiwilligen bestehen. Ihre Offiziere müssen große Ausdauer und gute Disziplin haben. Eine positive Einstellung ist verpflichtend.
Politik und Guerilla
Organisation und Disziplin müssen auf einem hohen Niveau sein. Dies gelingt nur. Wenn die Guerilla-Truppen ein klares Konzept des politischen Zieles vor Augen haben. Der Spruch vieler Offiziere „Ich bin nicht an Politik interessiert nur am Militär“ funktioniert hier nicht. Auch wenn Politik und Militär nicht kongruent sind, so sind sie doch nicht voneinander isolierbar. Die drei politischen Dimensionen (eigene Truppen, eigenes Volk, Feind) müssen bearbeitet werden, indem zunächst die eigenen Truppen geeint werden, dann die Truppen mit dem Volk geeint werden und danach die Einheit des Feindes zerstört wird.
Der Soldat muss verstehen, warum er kämpft.