Als rationaler, maskuliner Mann arbeitest Du an etwas. Du hast Ziele. Und Du willst sie auch erreichen. Das ist gut so und auch legitim.
Bei Deiner Zielerreichung gehst Du rational und logisch vor.
Du analysierst und machst Dir einen Plan.
So weit, so gut.
Doch dann taucht es wie ein Hammer vor Dir auf. Das erste Problem. Denn es gibt keine Zielerreichung ohne vorherige Probleme. Sie gehören einfach dazu.
Und hier kommt der Inkrementalismus ins Spiel. Auch wenn Dir der Begriff „Inkrementalismus“ vielleicht nicht geläufig ist, hast Du das Prinzip schon oft angewendet. Garantiert.
Denn Inkrementalismus bedeutet sinngemäß: „Sich durchwursteln“.
Lange Zeit federführend auf dem Gebiet der Inkrementalismus-Forschung war Charles E. Lindblom. Er ist Wirtschaftswissenschaftler, hat seine Lehren aber hauptsächlich aus einem anderen Forschungsgegenstand gewonnen: Der Politik und deren Verwaltung.
Man ging auch in der Politik immer davon aus, dass die Entscheidungsmodelle der Rational Choice und der Bounded Rational Choice das Optimum bzw. machbare Optimum darstellten.
In beiden Entscheidungsmodellen werden Ziel und Zweck ermittelt, dann Strategien und Mittel erarbeitet und schließlich die geeignetste Strategie ausgewählt und verwendet. Hört sich vernünftig an, oder?
Ja und nein.
Denn bei der rationalen Herangehensweise gibt es einige Probleme. Sie ist fragil. Denn die Realität ändert sich permanent und Problemlösungen von gestern können morgen schon viel größere Probleme nach sich ziehen.
Problemlösung ist ein kontinuierlicher Prozess.
Und deshalb ist das politische Tagesgeschäft und auch immer mehr das wirtschaftliche Tagesgeschäft geprägt von einer Strategie der „unkoordinierten, kleinen Schritte“. Dem Inkrementalismus.
Wesentliche Merkmale des Inkrementalismus sind:
- Entscheidungen orientieren sich am Status Quo und verfolgen nur kleine Verbesserungen.
- Die Problembearbeitung verläuft sequentiell mit einer schrittweisen Problemlösung.
- Nicht die Mittel werden dem Zweck angepasst, sondern umgekehrt, der Zweck den vorhandenen Mitteln.
- Entscheidungen verlaufen unkoordiniert, d. h. ohne Abstimmungsprozesse mit Anderen. Stattdessen wird nur informiert. Und die Informationen von Anderen bei den Entscheidungen berücksichtigt.
Wie Du an den Merkmalen sehen kannst, geht es beim Inkrementalismus um eine permanente und oft auch nur partielle Anpassung vorhandener Problemlösungen an eine veränderte Umwelt.
Bei dieser Anpassung werden auch gemachte Fehler aus der Vergangenheit berücksichtigt und im nächsten Entscheidungsdurchlauf korrigiert.
Es ist ein eher evolutionärer Ansatz.
Doch wo liegen die Vorteile?
Inkrementalismus kommt der menschlichen Natur und unseren Umweltbedingungen am nächsten. Denn vieles in unserem Leben beruht auf Trial and Error. Versuch und Irrtum. Das muss auch so sein, weil sich alles ständig ändert.
Deshalb hat der Inkrementalismus für Dich zwei große Vorteile:
- Deine Entscheidungsfähigkeit wird nicht überfordert. Das Streben nach Perfektion und Vollständigkeit macht viele Probleme unbearbeitbar. Weglassen und Filtern sind hier oft besser.
- Du kannst die Zukunft nicht vorhersehen. Deshalb sind schrittweise Anpassungen sinnvoller als eine „Langfristplanung“, die es real ohnehin nicht wirklich gibt. Dadurch minimierst Du letztlich auch Risiken, da Du ja Deine Lösungen immer „neu anpasst“.
Und was ist mit Analyse und Planung?
Natürlich sollte auch weiterhin jeder Deiner Entscheidungen eine rationale Analyse vorausgegangen sein. Und auch für Deine Ziele und Problemlösungen benötigst Du eine saubere Planung.
Doch beides ist kein Widerspruch zum Inkrementalismus.
Denn es geht letztlich nur darum, flexibel und in kleinen Schritten mit Änderungen bei Umwelt und Einflussfaktoren umzugehen.
Und dann am Ende Dein Problem zu lösen.
In Kürze
In vielen anderen Zusammenhängen und praktisch in allen Lebensbereichen ist es sinnvoll, kontinuierlich und in kleinen Schritten vorzugehen.
So auch bei der Problembearbeitung und Zielverfolgung.
Große Schritte kosten mehr Ressourcen und mehr Energie. Und das Ergebnis ist oft schlecht.
Weil sich alles ständig ändert. Zumindest die Dinge, die vom Menschen erschaffen wurden.